Kalt, feucht und grau – klingt das nicht verlockend?

So könnte man fragen, wenn man in unseren Breitengraden lebt, insbesondere im Nordwesten der Republik…;-)! Und dennoch ist diese Frage ernst gemeint und deren Beantwortung gibt Hinweise auf unsere innere Gemütsverfassung und unser Qi. Feuchtigkeit, Kälte und eine gewisse Trostlosigkeit sind Begleiter unserer dunklen Jahreszeiten, dem Herbst und dem Winter.

Und genau diese Jahreszeiten mit eben genau diesen Qualitäten sind enorm wichtig für unsere Gesundheit, für unser Qi, für unsere Psyche, für unsere spirituelle Enwicklung. Im Kräftefeld von Yin und Yang ist es eben nicht nur die helle, leuchtende, wärmende und bewegend sich ausdehnende Kraft, die unser Leben ausschließlich bestimmt! Auch die dunkle Seite der Macht 😉 (Star Wars), die kalte, sich nach innen zurückziehende und sich absolut hingende Kraft des Yin ist ungeheuer wichtig für unsere Gesundheit, unsere generelle Entwicklung als Mensch.

Ja, viele Menschen mit einem Hang zu einer bestimmten Form der Depression, leiden in der dunklen Jahreszeit mehr, sie entwicklen genau jetzt Symptome. Ja, es ist eine Zeit, in der wir uns ungern draußen aufhalten, da uns Wind, Kälte und Feuchtigkeit zu schaffen machen. Ja, es ist inzwischen zudem eine Zeit, in der die modernen Menschen, jedenfalls bei uns, anscheinend den meisten Stress haben.

Ein unzählige Anzahl von verschiedenen Weihnachstfeiern, an denen wir natürlich ausnahmslos teilhaben müssen. Dazu Geschenke für alles und jeden, dann die äußeren Angriffe von Viren und Bakterien und nicht zuletzt die ständige Tendenz, die Nacht zum Tag zu machen. Lange fernsehen, lange feiern, lange surfen im Web, das alles muss natürlich sein. In Hast und ohne Unterlass rennen wir durch das herbst- winterliche Leben, als gäbe es Preise zu gewinnen für Geschäftigkeit und außer Atem kommen. Es scheint, als würde uns die Zeit davon rennen, dabei sind wir es, die ständig versuchen der Zeit ein wenig voraus zu sein.

Die ursprüglichen Qualitäten des Yin, sich in Demut vor dem Leben zu verbeugen, nachzugeben, sich zurückziehen, Pause zu machen, Dinge ruhen zu lassen, sich völlig hinzugeben, dem Körper und vor allem der Seele eine Verschnaufpause zu gönnen, all dies scheint vergessen in einer Zeit, in der das Yang die Welt in eine Ausschließlichkeit geführt hat – ewiges Wachstum. Das darf man nicht verpassen und natürlich erst recht nicht versauen…;-)!

Aber auch die Diskussion über das Weibliche nimmt teilweise abstruse Formen an. Manchmal erscheint es, als müssten die Frauen noch männlicher, tougher, härter und kompromissloser sein als ihr männlichen Kollegen, um als vollwertig anerkannt zu werden. Während meiner Arbeit an meinem nächsten Buch über Sexualität, Schwangerschaft und Potenz fiel mir auf, wie weit sich die Frauen schon entfernt haben von ihrer Weiblichkeit. Sie führen ein selbstbestimmtes Leben (und das ist gut so), aber ich bin mir nicht sicher, ob diese Art zu leben wirklich gewollt und wohl überlegt ist. Ich kümmere mich zuerst einmal um meine Karriere und baue mir (vielleicht mit meinem Mann zusammen) etwas auf. Und dann, in den späten 30-gern oder mit Anfang 40 kommt das erste Kind, wahrscheinlich das einzige. Nur sollten wir nicht unbedacht lassen, dass wir die meister Power zur Weitergabe gesunder Gene und körperlicher wie mentaler Gesundheit im Alter von etwa 25-35 Jahren haben, die Männer einige Jahre später. Und wenn wir dann in dieser Zeit auch noch viel arbeiten und uns verausgaben für Beruf, Karriere, Haus und mehr, dann bleibt mit Ende 30 oder Anfang 40 noch weniger von unserem Nieren-Qi, von unserer Konstitution, die wir weitergeben an unsere Kinder, übrig. Und wo bleibt die Weiblichkeit, das Yin in der Welt?? Wo bleibt die (weibliche) Intuition? Wo das Bauchgefühl? Wo das Verzeihen? Wo die Hingabe? Wo das Zurückstecken? Wo das Scheitern? Wo die Fehler? Wo die Stille? Wo das Dunkle? Wo die Verletzlichkeit? Wo das Herz? Wo das Nährende? Wo das Zuhause? Wo bleiben die Menschen ohne all die weiblichen Qualitäten? Wo bleibt die Pause? Wo die Erholung? Wo das Verständnis? Wo die Zärtlichkeit? Wo die Streicheleinheit? Wo die Ermunterung? Wo die Gnade? Wo bleibt die Welt ohne das Yin??

In den klassischen Schriften der Chinesischen Medizin wird der Untergang der Welt, der Zivilisation beschrieben durch den Verlust des Yin. Das Yin wird Yang und bemächtigt sich der Welt, gnadenlos? Das Bild, das Symbol dafür ist die Vagina mit Zähnen, die alles zerfleischt, was ihr in die Quere kommt. Sie gibt sich nicht mehr hin, sondern nimmt sich, was ihr zusteht. Und das mit einem unermesslichen Hunger. So das Szenario des Weltunterganges.

Wenn wir uns den Untergang aller großen Kulturen anschauen, wie etwa bei den Römern oder den Azteken, so finden wir immer Hinweise daraus, dass die Dekadenz das letzte Stadium des Mensch sein ist, bevor er untergeht. Und Dekadenz entsteht, wenn niemand mehr abgeben möchte, wenn alle alles zu jeder Zeit besitzen wollen, wenn keiner mehr an die zukunft, an die nächste Generationdenkt, sondern nur an sein eigenes Vergnügen, jetzt, seinen eigenen unstillbaren Hunger nach mehr. Gier ist ein weiteres treffendes Wort für diesen Zustand. Und ist all dies nicht schon erkennbar in unserer Gesellschaft? Leben wir nicht schon auf Kosten anderer Menschen? Oder schlimmer, auf Kosten unserer Kinder? Verpulvern wir nicht deren Bodenschätze und Nahrung, um unseren Wohlstand zu mehren oder zumindest zu halten?

Die moderne Welt fordert uns ganz schön! Und sie versucht uns klar zu machen, wie und wann wir was zu tun haben. Und dabei inzwischen oft so gar nicht im Zyklus der Natur, im Lauf der Dinge. Spannend, oder!?! Und wenn das irgend jemand (wie ich ;-)) auch noch zu hinterfragen wagt, dann gilt er als Chauvi, als ewig Gestriger, als aussterbendes Fossil einer Welt, die es anscheinend nicht mehr gibt. Bemitleidenswert altmodisch und hinterwäldlerisch, der Zukunft abgewandt. Aber vielleicht geht es ja manchmal rückwärts in die Zukunft?? Zurück in die Zukunft?? 😉

Wie auch immer. Wenn ich die Menschen zu dieser zutiefst ins Innere einladenden Zeit des Winters und der besinnlichen Weihnachtszeit anschaue, dann spüre ich eine gewisse Angst, ein getrieben sein. Getrieben von Angst und Sorge um alles, stellen wir die Kontrolle an die oberste Stelle unserer Handlungen. Nicht die Großzügigkeit, welche in der Lunge wohnt, sondern die Kontrolle. Und wir glauben tatsächlich, dass wir irgendetwas kontrollieren könnten und dass es uns, je mehr wir haben und beisammen halten oder mehren, um so besser gehen wird.

All dies sind Aspekte, die mit dem Verlust der Qualitäten des Herbstes (Ernte und Verteilen, was erwirtschaftet wurde) und des Winters (Speichern und in Stille reifen lassen) zu tun haben.

Nicht umsonst kennen wir die Geschichte von St. Martin, kennen das Schenken, das Teilen zu dieser Zeit, kenne die Liebe und das Licht, die zu dieser Zeit besonders wichtig sind und von uns gelebt werden wollen…real und praktisch, nicht nur in den Geschichten. Wir sollen der teilende Martin, der helfende Samariter sein für all die anderen, die in Not sind, die frieren und nichts besitzen! Wo bleibt der helfende Martin wenn es um Flüchtlinge geht? Wo, wenn es um den Bettler in der Fußgängerzone geht?

Gerade unser Handeln in dieser dunklen Jahreszeit zeigt unseren wahren Charakter, unsere wahre Spiritualität, unsere leuchtende Liebe, unser Engagement für Kranke, Schwache und Lahme, wie es die Jesusgeschichte so schön und unmissverstädnlich schildert und verdeutlicht.

Leben wir Liebe zu unserem Nächsten, vergeben wir den Andersdenkenden, Verzeihen wir den Sündern und helfen wir allen, die unsere Hilfe dringend benötigen. Und üben wir Qigong, damit wir diese Qualitäten des Yin wieder erfahren in uns, erkennen und weiter entwickeln und fördern.

Foto: Peter Franz_pixelio.de

 

 


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